Ich hatte viele Namen in meinem Leben – Rufnamen. „Der Ranzig“ und „Der Rächer“ waren in meiner Heimatregion die Namen, welche sich am längsten gehalten haben. Namen die man mir gab, weil ich bekannt war, dass ich mich nicht ungestraft beleidigen, belügen oder bestehlen liess. Der Satz – ich habe mit dem oder denen noch eine Rechnung offen, war bei mir wie ein Blatt aus meiner Bedienungsanleitung.

Ich war relativ jung, als man mir den Rufnamen Rächer gab. Ich denke etwa 17 Jahre jung. Rund zwei Jahrzehnte begleitete mich dieser Namen wie mein eigener Schatten.

Viele Jahre lang war ich zu klein, zu schwach um mich wehren zu können. Zu langsam um zu flüchten, zu unbeugsam um mich zu ducken. So wuchs ich auf, mit dem Wunsch, dass dies nicht immer so sein wird. Und eines Tages versprach ich mir selbst, es wird ein Ende haben. Ich wusste eines Tages wird man dafür bezahlen, wenn man mir etwas antut. Und der Tag kam.

Schmerzen wurden zu meinem täglichen Programm. So lernte ich damit umzugehen, nichts mehr zu empfinden und Schmerz in Hass und Energie umzuwandeln. Eine Welt die ich zu gut kannte. Nur wollte ich nicht immer der sein, der darunter litt. Nein ich trainierte auf den Tag hin, wo man mich nicht mehr schlagen konnte, Schläge nichts mehr bewirkten und jede Pein mit erbärmlichen Schmerzen bezahlt werden müssen.

Lieben konnte ich nicht, aber um so besser hassen – diese Menschen die ich überhaupt nicht um mich haben wollte. Wohl nicht zuletzt auch, weil ich mich selbst nicht akzeptierte, nicht wollte und dieses elende Bild nicht mehr ertrug. Und ich brachte es mir selbst bei, keine Schmerzen mehr zu zeigen, auf Schmerz mit noch viel mehr Schmerz zu antworten. Jeder Versuch mich brechen zu wollen war für mich das Ticket den anderen zu zerstören.

 

Viele Jahre rächte ich Schmerzen meiner Freunde, an mir und an schwächeren. Und dies mit einer Brutalität die mich später erschaudern liess. Hass ist ein schlechter Ratgeber aber gibt enorm Kraft. Kraft die ich anwendete um Menschen die Freude hatten anderen Schmerzen zu bereiten, zu zeigen wie das ist, wenn der Schmerz in Dir explodiert.

Ich lächelte oft, beinahe so als wäre ich glücklich – dabei wollte ich nur verdecken, dass ich mir selbst am meisten weh tat. Denn ich kannte keine Zuneigung, keine Liebe und lehnte alles ab, was danach „roch“ – unfähig mit etwas anderem umzugehen als Hass und Gewalt.

Heute weiss ich, dass ist der Weg der Verlierer – weil auf diesem Weg machst Du das kaputt was Dir am meisten fehlt. Rächer und Richter zugleich – aber in Wirklichkeit verlor ich soviel, dass ich nie mehr wirklich lächeln kann. Rache ist etwas, dass Dich selbst verbrennt und alles um Dich herum verletzt, demütigt und voller Entsetzen erstarren lässt. Auch Dich selbst – nur das merken die meisten viel zu spät.