Es könnte fast ein romantischer, idyllischer Ort sein, wären da nicht die Steine mit all den Namen. Nur die sind wohl üblich auf einem Friedhof. Ebenso wie Zwiespalt, Trauer, gebrochene Herzen und Heuchelei die sich hier sich tagtäglich ein Intermezzo liefern. Emotionen der speziellen Art.

Da stand ich nun, vor der kleinen, schmucken Kirche, Abdankungskapelle oder wie man das immer nennen mag. Nicht sonderlich von Bedeutung, wie man was hier nennt, am Tag wo Du da bist um Deine Mutter zu beerdigen. Also da stand ich nun – es hiess Abschied nehmen von der eigenen Mutter. Trauer war wohl angesagt – tiefste Empfindungen und schmerzliche Tränen voller Leid und gebrochener Liebe.

Nur was tun, wenn man längst Abschied genommen hatte? Alles kam mir künstlich vor, unecht und gespielt. Ehrlich gesagt hatte ich gar nie Abschied genommen – denn dazu müsste man doch erst jemanden begrüssen …. und das war seit vielen Jahren längst nicht mehr der Fall – wie soll ich jemanden zu meiner Familie zählen, wo mich oder Personen von mir nicht zur Familie zählen, nicht akzeptieren – höchstens als Budgetfaktor…..

Waldfriedhof Rheinfelden Schweiz

Ja und da kamen Sie nun alle daher – die wo zur Familie gehörten – akzeptierter Weise. Oh mein „Götti“ – Taufpate oder wie man sagt war auch da… wie schön – eigentlich kein Wunder das er mich nicht mehr erkannt hat. Das er mich fragte wer ich den bin war doch schön – immerhin nach so viel Jahrzehnten ein Anzeichen von Interesse. Ja die Schwester meiner Mutter sah beinahe gleich aus wie vor – weiss nicht wieviel Jahren wo ich Sie letztes Mal gesehen habe. Wann das war ich weiss es nicht. Denn ich gehörte nicht zu dieser Familie, laut Papier meine Familie – aber ich hatte längst kein Interesse mehr dazu zu gehören zu diesen Menschen die irgendetwas waren, aber ganz sicher nicht meine Familie.

Viele von Ihnen waren sehr alt, viele mir noch fremder als sie es schon in meiner Kindheit waren – doch die meisten waren so wie ich sie immer empfunden habe – sicher nicht meine Familie.

schneider Stephan

Und da kam Sie – die Schwester die mir mal mehr bedeutet hatte, ich denke sogar sehr viel. Doch heute nicht mehr – sie redete wider besseres Wissen, den gleichen Scheiss wie die ach so angesehene Familie. Es grauste mich vor diesen selbstgerechten, selbstherrlichen und verlogenen Personen die ….. lassen wir das – schliesslich war es ja die Beerdigung meiner Mutter. Oh Mutter ist ein einfacher Begriff? Da ist selbst Wikipedia heute nicht mehr sicher – denn dort wollte ich mindestens nachlesen was ist eine Mutter

Es gibt sie die Mutter…. irgendwo.

Ja selbst Wikipedia hat sehr eigene Definition was eine Mutter ist. Gut aus Respekt will ich das nun für diesen Moment nicht vertiefen. Auch nicht darauf reagieren – es war ja die Beerdigung dieser Frau wo ich nicht einmal wiedererkannt hätte, wären wir uns auf der Strasse begegnet. Naja Familie halt.

Wieso soll ich empfinden was andere nicht tun – wieso soll ich tun als ob nur weil man das so tut – wenn ich nicht liebe der hat in mir keinen Platz also von wem soll ich mich verabschieden?

– Schneider Stephan

Also schaute ich zu, schwieg, ich war ja da – nicht gerne und nicht, weil ich trauern wollte – nein, weil man das halt tut. Man kommt doch an die Beerdigung seiner Mutter oder nicht? Ich kam – vorwiegend um festzustellen, dass ich wohl eine andere Definition von Mutter und ehrlichen Gefühlen hatte als die hier anwesende Familie wo ich für ein paar Momente so tun sollte, als hätte ich je dazu gehört.

Ja und nun kam es – mein Sohn – meine Familie an meiner Seite. Keiner dieser ach so lieben, gutherzigen Menschen hat ihn nur beachtet, begrüsst oder ähnliches. Bewusst ignoriert! Dreckpack – war mein erster Gedanke – Scheissfamile wohl der zweite. Ich verklemmte es mir und hoffte das ich meine Verachtung, meine Abscheu vor diesen ach so emotionellen Menschen verbergen konnte. Was mir offenbar bestens gelang.

Denn plötzlich stand die Person welche meine Schwester war, die jüngere Schwester, neben mir. Sie strahlte Trauer aus. empfand oder zeigte zumindest Schmerz über den Verlust Ihrer Mutter – und schaute mich voller Entsetzen an. Nichts neues – war, wenn man ehrlich ist, eigentlich schon immer so, dass die nicht wussten was in mir vorging – wie auch.

Ja sie stand plötzlich neben mir – suchte etwas in meiner Mimik und fand es nicht und sprach: „Du könntest wenigstens einmal Gefühle zeigen!“ mit vorwurfsvoller Stimme. Ich lächelte so sanft es mir nur möglich war und fragte: Für wen den? Für die wo meinen Sohn so missachten wie mich? – Seit doch froh, dass ich meine Gefühle für Euch nicht zeige – ehrlich jetzt – seit dankbar, dass ich nicht zeige was ich für Euch wirklich empfinde und übrigens das ist mein Sohn – meine Familie….

Danach zog ich es vor zu schweigen – musste ich schweigen. Der Brechreiz war zu gross und ich wollte einfach nur noch diese Show beenden und gehen – hier beerdigte ich nichts was ich nicht längst getan hatte!