Es gab eine Zeit wo ich flehte das ich einmal gross und stark sein werde, weil ich das kleinste und schwächste Kind war im Kindergarten und in der ersten Klasse. Einem Kindergarten die von einer katholischen Ordensschwester geführt wurde, die Schwester vom Dorfpfarrer wie jeder wusste.

Wir waren neu im Ort und für mich als kleinster Junge, schwach und zerbrechlich, schien dieser ach so Gottesfürchtige Ort der Eingang zur Hölle zu sein. Denn wie sonst sollte ich dies bezeichnen, wo ich auf dem Stuhl angebunden wurde, mit einem Lappen im Mund geknebelt wurde und wenn das noch zu wenig der Pein war, gab es ja noch den feuchten, dunklen und miefigen Keller. Dort verbrachte ich viele Stunden, meist aber erst nach dem ich mit dem Stock Prügel bezogen hatte für mein ungehorsames Verhalten. Ein Verhalten, dass darin bestand, dass ich nicht dort sein wollte.

Denn schon der Weg dahin und zurück waren Distanzen der Schmerzen. Kinder können wirklich sehr nett sein. Oft kam ich zu Hause mit verschmutzten Hosen, zerrissenen Kleidern und blutend an – aber ich war ja der Schuldige – ganz vergessen. Natürlich war ich das, der Kleinste und Schwächste forderte ja mit Sicherheit immer andere heraus Ihn mit Steinen zu bewerfen, mit Stöcken zu schlagen und es lustig zu finden, wenn er keine Chance hatte.

Der Schrei

Ungehörter Schrei

Ja ich hatte offenbar keine Chance, es waren zu viele, sie hatten alle mehr Kraft und ich war nicht schnell genug. Weil ich so ein Schwächling war wurde ich zu Hause dann bestraft, weil ich mich nicht wehren konnte, eine Schande sei und nichts als eine Schande sei. Schweigen da oder dort half auch nichts, es wurde auch nicht wirklich besser als ich die Schläge klaglos über mich ergehen liess.

Einmal wurden mir die Haare angezündet, dem Gelächter zur Folge musste dies wirklich Spass machen.  Ein andermal warf man mir brennende Feuerwerkskörper in die Augen und ich sah tagelang nichts mehr. Es war nicht einmal sicher ob ich je wieder sehen würde. Und es tat wirklich weh diese glühenden Teile in den Augen.

Und wer kennt den perversen Spruch nicht: Was Dich nicht umbringt macht Dich härter. Einen idiotischeren Spruch für einen 6-Jährigen kann ich mir nicht vorstellen. Denn nein – es bringt Dich nicht um – leider. Es tötet Dich innerlich ab, Stück für Stück. Jede Zuneigung, jedes Vertrauen stirbt und was übrig bleibt ist Hass und Schmerz. Also ob man das verwechselt mit Härte? Hass ist keine Art Härte, es ist nur eine Art zu überleben,

Weil ich zu schwach war, bekam es zu Hause gleich nochmal – immerhin fühlte ich mich so sicher sehr geborgen. Wo ich um Hilfe bat, wurde ich verspottet und ich bekam den ersten kostenlosen Kurs, wie macht man das Opfer zum Täter – Kurs. Denn es war der Beginn meines eigenen Lebens – wo ich mir schwor, eines Tages wird mich niemand mehr schlagen, niemand wird mich mehr so demütigen und wer es tut, wird mit dem bezahlen – was man mir am besten gelehrt hatte.

Keine Schmerzen mehr

Man spürt keine Schmerzen mehr

Darum bat ich inbrünstig einmal gross und stark zu werden, damit ich mich wehren kann, ich die büssen lassen kann und sie dafür bezahlen.

Der Tag kam – aber es war nicht wie ich dachte das es sein würde – für niemanden – auch nicht für mich. Denn in mir war längst zu viel kaputt, längst alles nicht mehr so, wie es sein sollte. Ich glaube nicht, dass die Vergewaltigung wirklich noch viel verschlimmert hat, oder dass ich statt Hilfe dann als 11-jähriger Junge wieder Schläge bekam zu Hause, weil ich so was erzähle.

Der Mann, der auf der anderen Dorfseite lebte wurde von einem Schulkameraden in seinem Haus verbrannt – ich hätte mir gewünscht ich hätte es getan aber er kam mir zuvor. Nur die Bilder gingen nicht mehr weg. Nicht nur die von dem Mann nicht, auch die vom Kindergarten nicht, von Zuhause, von den Kindern und all diesen Momenten wo ich wusste das ich für etwas wohl zahlte, was ich nicht begriff.

Mein Leben ging seinen eigenen Weg – und ich wurde nicht nur grösser, stärker und schneller – sondern lange Zeit schlimmer als all die wo ich selbst kennen gelernt habe. Ach ja, ich wurde nicht mehr geschlagen, wurde nicht mehr verspottet – aber ob verhasst zu sein, gefürchtet oder verachtet besser ist?

Mir war es egal – denn die Menschen hatte es nicht interessiert, was Sie mit mir gemacht haben – warum also verdammt nochmal sollte es mich interessieren, wenn Sie ihr eigenes Erzeugnis dann vor sich haben, dass man nicht mehr besiegen kann.

Es wurde ein langer Weg, jahrzehntelang und ich sah, fühlte, erlebte und überlebte vieles, dass ich niemals niederschreiben werde. So lange bis ich begriff, der grösste Feind von mir, war längst ich selbst geworden. Diesen aber zu besiegen – schaffte ich in Wirklichkeit nie – dass musste jemand anderes tun.